Mit dem plötzlichen Wintereinbruch werden Erinnerungen an meine Moskauer Kindheit wach: Schneemann bauen, Schlitten fahren, Schneeball-Schlachten machen, all das haben wir genauso gern gespielt, wie es Kinder in Deutschland heute noch tun.
Ein russisches Spiel jedoch habe ich hier noch nicht beobachtet, und weil es nicht nur spaßig, sondern auch künstlerisch wertvoll und für alle Altersstufen, selbst für Kleinkinder geeignet ist, möchte ich es hier kurz vorstellen.
Material
Man nehme: Wasserfarbe, Wasser, Pinsel und leere Plastikverpackungen: von Yoghurt, Eis oder Tetrapaks (die Letzteren müssen später aufgeschnitten werden). Bei unserem Selbstversuch gestern haben wir ein Paar Toffifee-Verpackungen benutzt.
Anleitung
Am Abend vor dem Schlafengehen füllen die Kindern diese unterschidelichen Behälter mit Wasser. Eine kleine Gießkanne eignet sich dafür besonders gut. Danach gibt man in jeden Behälter etwas Wasserfarbe mit dem Pinsel hinein. Es sollte wiklich nur ein Klacks sein, damit es möglichst transparent bleibt.
Dann stellt man die Behälter über Nacht bei Minusgraden nach draußen und lässt sie festfrieren. In unserem Fall gab es gestern einen Bonus: Wir wurden über Nacht komplett eingeschneit, so dass die Kinder ihre Kunstwerke erst suchen und dann ausbuddeln mussten.
Die Freude am Morgen ist aber in jedem Fall groß, denn da beginnt das bunte Auspacken. Es ist jedes Mal eine Überraschung, wie sich die Farbe im Wasser auflöst und verteilt. Außerdem sehen die durchsichtigen Eis-Murmeln bzw. -Würfel einfach zauberhaft aus.
Didaktischer Hintergrund
Wenn Farbe sich nicht homogen auflöst, nennt man dieses Phänomen Ausflocken. Hierbei lassen sich Pigmente als feines Granulat erkennen, oder sie schließen sich zu farbintensiven Ballungen, während der Rest der kolorierten Fläche blass oder sogar gänzlich farblos bleibt.
Dieses Phänomen lässt sich beim Festfrieren von gefärbten Flüssigkeiten sehr gut beobachten. Weil Pigmente schwerer sind als Wasser, setzen sie sich in den meisten Fällen am Boden der verwendeten Behälter ab. Beim Herausdrücken befinden sich die Pigmente dann obenauf und sorgen dadurch für spannende Farb-, Oberflächen- und Qualitätskontraste.
Literatur-Tipp
Alles, was man zum Thema Aquarell wissen muss (chemische Bestandteile, Nass-in-Nass-Technik, Lasieren, Lavieren, Farbkontraste und -harmonien...), lässt sich wunderbar in "Wasserfarbe für Gestalter" von Felix Scheinberger nachlesen (als dessen Fan ich mich an dieser Stelle oute).
Somit kann das kleine Eis-Spiel hier als eine Annäherung an das Thema Aquarell verstanden werden. Oder als eine rein sinnliche Erfahrung. Ich plädiere für beides gleichzeitig.
Wir haben unsere Eis-Murmeln im Warmen ausgepackt, weil die Mädchen sonst eisige Finger bekommen hätten, aber besser ist es natürlich draußen, denn so schmilzt das Eis nicht so schnell. Spätestens nach dem Auspacken muss es aber sofort wieder ins Freie, wo man damit ganze Landschaften bauen kann, sie im Schnee einbuddeln und suchen kann - jeder, wie er es möchte. Das Spiel dauert an, so lange die Minustemperaturen andauern. Im Grunde wie beim Schneemann.
Wenn ihr dieses Spiel ausprobiert, würde ich mich sehr über eure Bilder freuen! Gern an katia.tangian@gmx.net schicken, dann poste ich sie in Ergänzung dieses Beitrages.
Danke an Max H., Karla W., Claudia W., Inez K., Maja G., Elisa B., Nina F., Claudia M. und Anne H.
Inzwischen trudeln tolle Bilder von Kollegen, Schülern und Freunden ein, und ich bin begeistert! Sie zeigen, wie man aus Wasser und ein bisschen Farbe etwas ganz Individuelles gestalten kann. Ob in Batterieverpackungen, Sandförmchen oder Plastikteller gegossen, in welche organische Fundstücke eingelassen werden; ob als Schmuckkette, die zur Lichterkette dazugeflochten wird oder als Eis-Applikation, die mit ein Paar Wassertropfen am Metallgelände fixiert wird - da kommen einige tolle Ideen und Variationen zusammen.
Weitere Einsendungen unter katia.tangian@gmx.net ausdrücklich erwünscht!
Oha voll schön