
Es ist schon komplex genug, ein Buch zu illustrieren, aber eine ganze Buchreihe? Dazu noch eine, die bereits ikonisch illustriert ist? Mit zwei zehnten Klassen habe ich mich im Herbst 2024 dieser Herausforderung gestellt.
Gegeben sei: die extrem beliebte Kinderbuchreihe "Mein Lotta-Leben" von Alice Pantermüller, liebevoll illustriert von Daniela Kohl. Alle 21 Bände sind in Tagebuch-Form konzipiert, und auch Kohls verspielte, schwarz-weiße Comiczeichnungen wirken darin wie Kritzeleien der titelgebenden Protagonistin Lotta. Diese führt den Leser mit viel Humor und einer guten Portion Schusseligkeit durch ihr chaotisches Leben.
Unsere Inspiration: Lotta-Leben-Reihe von Alice Pantermüller mit Illustrationen von Daniela Kohl (Arena Verlag) sowie Wimmelbücher von Hiro Kamigaki

Die eigentliche Zielgruppe der Lotta-Reihe sind die 9- bis 12-Jährigen, also deutlich jüngere Leser als meine Zehntklässler. Andererseits wollten wir die Bücher ja auch nicht lesen, sondern illustrieren - wie die Profis eben. Und als wäre das nicht schon spannend genug, winkte am Ende der Unterrichtsreihe ein persönliches Treffen mit der Autorin. Denn über Social Media hatte ich Kontakt zu Alice Pantermüller aufgenommen und sie für mehrere Lesungen an unserer Schule gewinnen können. Danke an dieser Stelle auch an Frau Herr (Schulbibliothek), Manuela Bank (Fachschaft Deutsch) und Iris Illgen (Schulfinanzen) fürs Mitorganisieren!
Details aus analogen Illustrationen der 10b: Laura S. J., Solveig M., Felicitas R., Eloisa S. (Illu und Klassen-Vignette), Leni S., Jonathan S., Tristan F. S., Sophie W., Annika-Sophie W., Amelie M.
Als ich den beiden zehnten Klassen diese Idee vorstellte, waren sie auf Anhieb begeistert. Und auch die Aussicht auf eine Begegnung mit der Lotta-Leben-Autorin versetzte sie in Aufregung. Alice Pantermüller! Sie kommt! Sie kommt zu uns, nach Stadthagen! Für viele Mädchen war Lotta die Heldin ihrer Kindheit - und deren freche Freundin Cheyenne noch viel mehr! Eine Schülerin erzählte, wie stolz sie gewesen sei, ein "echtes" Buch, ein Hardcover ausgelesen zu haben. Es habe sich richtig gut angefühlt, sagte sie, und dass das Buch mindestens zur Hälfte aus Bildern bestand und auch die Schrift extrem groß ausfiel, war ihr damals gar nicht aufgefallen.
Für viele Zehntklässler, vor allem ZehntklässlerINNEN waren die Lotta-Bücher ein genauso fester Bestandteil ihrer Kindheit wie Pippi Langstrumpf oder Michel aus Lönneberga für meine Generation. "Gregs Tagebuch" stellte das Lotta-Pendant für die Jungs dar: eine Buchreihe, die in ihrem Aufbau der Lotta-Reihe ähnelte. Daher konnten sich auch die Jungs unter den Zehntklässlern schnell in unser Projekt hineindenken, ohne zuvor die Lotta-Bücher gelesen zu haben.
1. Die Wahl des Mediums
Nun war es also offiziell: Wir würden die Lotta-Reihe illustrieren. Das Erste, was dabei zu klären war, war die Wahl des passenden Mediums. Da Daniela Kohl, die Lotta-Illustratorin, seit dem 18. Band der Reihe digital arbeitet, bot sich auch hier eine digitale Umsetzung am Schul-iPad an. Andererseits hatten analoge Illustrationen ihren sinnlichen Reiz. Ich stellte meinen beiden zehnten Klassen diese zwei Optionen vor - und erntete zwei unterschiedliche Antworten:
Details aus digitalen Illustrationen der 10d: Melina S., Tamina G., Janic B., Pia K., Nele F., Marieke W.,
Die 10d sprach sich mehrheitlich für eine digitale Umsetzung aus. Es reizte sie, neue Zeichenapps auszuprobieren und ihre iPads für etwas anderes als zum Schreiben und Surfen zu benutzen. Ich erklärte der Klasse, dass ich grundsätzlich offen dafür war, dass ich ihnen aber keine große Hilfe sein würde. Zwar würde ich sie weiterhin in Kunstfragen beraten, etwa bei der Farbwahl oder der Bildkomposition. Doch mit Zeichenapps selbst kannte ich mich nur rudimentär aus.
Allerdings habe ich schon mehrere Projekte dieser Art mit Schülern realisiert und durfte dabei immer wieder feststellen, dass Jugendliche sich sehr schnell und auch ohne meine Hilfe zurechtfanden, nicht zuletzt dank Online-Tutorials und klasseneigenen Experten. So auch in diesem Fall: Timo S. (10d) übernahm gleich die Initiative, hielt ein Impulsreferat zu Procreate, und auch später stand er seinen Klassenkameraden zur Seite, wenn sie mal Fragen hatten.
Sofja R., 10d, finale Illustration und Vorskizzen: "Und dann haben wir so schimpfige Frauenstimmen gehört. Die kamen aus einem Laden, nämlich der Konditorei Ketelhuhn. Wir sind näher rangegangen und da haben wir ihn gesehen: Rocco saß direkt hinter dem Fenster mitten in den Pralinen." (Band 9, Das reinste Katzentheater, S. 69-70)
Im Unterschied zur 10d wollte die 10b (die ich schon in der 9. unterrichtet habe, u. a. in Aquarellmalerei) beim Illustrieren nicht digital, sondern analog, mit Wasserfarbe arbeiten. Die Schüler meinten, sie würden eh den ganzen Tag am iPad verbringen. In Kunst wollten sie etwas "Reales", Haptisches erleben.
Nichts einfacher als das! In den Folgestunden zeichneten die Jugendlichen erst auf DIN-A4-Blättern vor und übertrugen dann ihre Vorskizzen auf DIN-A3-großes Aquarellpapier. Beim Malen ließen sie sich von meinem Kinderbuch-Fundus inspirieren, den ich in unserer Kunstsammlung als Handapparat aufgestellt habe. Dieser enthielt vier Bände Lotta-Leben in zweifacher Ausfertigung (eine Ausgabe aus unserer Schulbibliothek, eine von mir privat). Darüber hinaus habe ich der 10b ausgewählte Illustratoren vorgestellt, die entweder reines Aquarell oder Aquarell in Verbindung mit schwarzen Outlines verwendeten. Als besonders inspirierend erwiesen sich dabei die Illustrationen von Lisbeth Zwerger, Maurice Sendak und Marie Caudry.
Eloisa S., 10b, finale Umsetzung und Details. "Natürlich haben wir sofort angefangen, [Baby Rocco] zu suchen. Überall haben wir gesucht. Aber wir haben ihn nicht gefunden. Rocco war einfach weg!" (Band 9, Das reinste Katzentheater, S. 68)
2. Die Wahl des Bildthemas
Wie oben schon erwähnt, wurden inzwischen ganze 21 Bände der Lotta-Reihe herausgebracht. Welche(n) davon sollten wir nun illustrieren? Da ich den Zehntklässlern bei ihrem unterrichtsbedingtem Lesepensum keine so umfangreiche Lektüre zumuten wollte, habe ich mir aus unserer Schulbibliothek vier Lotta-Bände mit möglichst unterschiedlichen Settings ausgeliehen. Zuhause habe ich sie dann gelesen und in thematische Abschnitte gegliedert: Zelt-Übernachtungsparty, Baumhaus, Suche nach Baby Rocco, Ferien auf einem Bauernhof, Sportfest u.a. Insgesamt sind es über dreißig Themen geworden, pro Thema eine DIN-A4-Seite mit Buchtitel, Nummer, Seitenangabe, stichwortartiger Zusammenfassung des Inhalts und je zwei eingescannten Doppelseiten mit Text und Illustrationen.
Tristan F. S. beim Zeichnen der Reptilienausstellung

Diese PDF-Arbeitsblätter zur Themeneinteilung schicke ich den interessierten Kunst-KollegInnen auf Anfrage gern zu eigenen Händen zu. Denn Kohls Illustrationen sollen nur im geschützten schulischen Raum genutzt und nicht frei zugängig im Netz veröffentlich werden, um die KI nicht noch mehr zu "füttern". Schließlich sind diese Illustrationen Kohls geistiges Eigentum. Schreibt mir also bei Interesse einen Zweizeiler auf katia.tangian@gmx.net, und mit dem freundlichen Eiverständnis des Arena-Verlags stelle ich euch meine didaktisierte Texteinteilung gern zur Verfügung.

Als es ans finale Verteilen der Themen ging, stellte ich den beiden zehnten Klassen die einzelnen Textabschnitte vor und besprach mit ihnen kurz die unterschiedlichen Settings. Obwohl es über 30 Szenen waren und ich Sorge hatte, die Jugendlichen damit zu überfordern, fiel ihnen die Wahl der passenden Passage überraschend leicht. Die einen wollten gleich etwas "mit Landschaft" machen, die anderen zogen Stadtszenen oder Innenräume vor. Leni S. wollte die Stadion-Szene übernehmen, Jonathan S. wollte lieber zeichnen als malen, also wählte er als Einziger eine Nachtszene aus, bei der er mit einem weißen Stift auf einem schwarzen Blatt Papier arbeiten konnte. Manche wollten Pferde darstellen (dazu eigneten sich die Szenen auf dem Bauernhof), manche - Gebäck (dazu passte sowohl die Konditorei-Szene, als auch "Mamas gruseligste Torten"). Lotta-Leben hatte eben für jeden Geschmack etwas dabei!
3. Einheitliche Formensprache und Raumanlage
Sobald das Inhaltliche geklärt war, ging es an die Bildkonzeption. Und da stellte sich zuallererst die Frage: Wie sollte man mit so vielen Schülerinnen und Schülern eine einheitlich wirkende Illustrationenreihe gestalten? Einerseits sollten variationsreiche, originelle und individuelle Kompositionen erarbeitet werden. Andererseits sollte ein klarer roter Faden her und auch ein deutlicher Bezug zu Kohls Lotta-Illustrationen. Denn ihre Formensprache hatte einen hohen Wiedererkennungswert und war für die Popularität der Lotta-Reihe genauso essenziell wie Alice Pantermüllers einzigartigen Texte.
Die ukrainische Schülerin Karolina B. (10d) hat sich für eine Szene aus dem ersten Lotta-Band entschieden, "Alles voller Kaninchen"

Raumkonstruktionen von Hiro Kamigaki: Ob Parallel-, Einfluchtpunkt- oder Schichtenperspektive (wie bei den Heißluftballons), Hauptsache einheitlich und der Geschichte dienlich. Auch bei unserem Lotta-Projekt waren daher verschiedene Perspektiven zulässig.
Während die Originalillustrationen von Kohl ohne Umraum auskommen, sollten unsere Illustrationen eine schlüssige Figur-Grund-Beziehung aufweisen. Schließlich sollten im zehnten Jahrgang gemäß Kerncurriculum die Inhaltsbereiche "Bild des Menschen" und "Bild des Raumes" (mit Fokus auf Architektur) behandelt werden. In diesem Zusammenhang fielen mir die Wimmelbücher des japanischen Illustrators Hiro Kamigaki ein. Bei seinen verschachtelten Raumdarstellungen benutzt Kamigaki nicht die im 10. Jahrgang zureichend bekannte Fluchtpunktperspektive, sondern die deutlich einfachere Parallelperspektive. In seinem hilfreichen Perspektive-Tutorial bringt Martin Mißfeldt die Vorzüge der Parallelperspektive deutlich auf den Punkt:
"Da sich bei der Fluchtpunktperspektive die Raumansicht mit zunehmender Tiefe verkleinert, sind Details, die in der Ferne liegen, oft schwer zu erkennen. Mit Hilfe der Parallelperspektive sind auch die Bildteile, die weit weg sind, dennoch genauso groß und gut erkennbar wie im Vordergrund. Die Parallelperspektive eignet sich daher zum Beispiel für die Darstellung von Labyrinthen, die von schräg oben aus der Vogelperspektive zu sehen sind."
In Analogie zu den Nachtbildern in "Alles Tschaka mit Alpaka" (dem Buch zum zweiten Lotta-Film) hat Jonathan S. (10b) mit einem weißen Stift auf schwarzem Papier gezeichnet.
Die meisten Lotta-Illustrationen von Daniela Kohl waren schwarze Einlinienzeichnungen, sie stellten Figuren ohne Hintergrund und raumschaffende Mittel dar. Bei unserer Reihe dagegen sollte der Mehrwert darin bestehen, dass Kohls wiedererkennbare Figuren in eine individuell konstruierte räumliche Komposition eingebunden wurden. Darüber hinaus sollten die Illustrationen farbig gestaltet werden, wofür ein schlüssiges Farbkonzept gehörte. Welche Atmosphäre sollte die gewählte Farbpalette vermitteln, was sollte vorne sein, was hinten, und wie konnte man die Lesbarkeit der Motive maximieren? Diese Fragen wollten im Vorfeld geklärt werden, also besprachen wir in einer Doppelstunde die Grundlagen der Farbtheorie und in einer anderen Doppelstunde den Einsatz der raumschaffenden Mittel, bevor es schließlich in die Entwurfsphase ging.
Visualisierung der Isometrie von Martin Mißfeldt; mehr dazu (und zu vielen anderen Kunstthemen) auf seiner Homepage, s. Link
Parallelperspektive: ein bisschen Theorie
Bei Isometrie, einer Unterkategorie der Parallelperspektive, verlaufen die Bildachsen in einem 45°-Winkel zur Bildhorizontalen. Dieser Winkel lässt sich aber auch variieren: Wird er vergrößert, spitzen sich die Raumecken zu, die abgebildeten Objekte wirken schmaler. Wird der Winkel verkleinert, "klappen" die abgebildeten Objekte auf, man kann besser in sie hineinsehen. Diese Strategie nutzt auch der Illustrator Hiro Kamigaki, indem er bei den meisten seiner Wimmelbilder den 30°-Winkel verwendet (ja, ich habe nachgemessen!).
Auch bei unserem Lotta-Projekt liegt der Winkel unter den 45° der klassischen Isometrie, nämlich bei 35° - allerdings aus pragmatischen Gründen, denn dieser Winkel ergibt sich automatisch, wenn man die Ecken eines DIN-normierten Blattes diagonal miteinander verbindet. So mussten die Schüler keine komplizierten Winkelmessungen vornehmen. Sie brauchten nur zwei Bildecken zu verbinden und mit Hilfe eines Geodreiecks das Blatt zu rastern (s. Skizzen unten). Der Abstand zwischen den einzelnen Rasterlinien war frei wählbar. Er sollte bloß eine grobe Orientierung auf dem Blatt ermöglichen und später idealerweise ganz verschwinden.
Parallelperspektivische Raumorganisation: die Vorskizzen. Solveig M., Leni S., Leni C. S., Jonathan S., Laura S. J., Eloisa S., Nazar K., Fabian T., Felicitas R. (10b); Amaia B. d. H. H., Tobias H., Mykhailo V. (10d).
3. Skizzen
Zwar hatten alle Schüler ihr Blatt gerastert, doch als es dann ans Zeichnen ging, musste diese Rasterung gelegentlich verworfen werden, denn sie passte nicht zu jeder Bildidee. So wollte zum Beispiel Felicitas den gesamten Hintergrund hinter ihrer Lotta-Figur mit bunten schwebenden Torten ausfüllen. Sie hatte ihr Blatt erst vorgerastert und dann gemerkt, dass sie für ihre Idee keine Parallelperspektive brauchte, da alle Elemente auf einer Bildebene waren. Deswegen orientierte sie sich im Folgenden an Kamigakis Illustration mit den Heißluftballons, welche ähnlich konzipiert ist (s. oben). Auch andere Schüler wichen von der zuerst angedachten 35°-Rasterung ab, wenn ihre Bildidee es erforderte. Zum Glück fanden sich bei Kamigaki noch viele weitere inspirierende Kompositionsgerüste!
Im Übrigen fertigte auch die 10d, die eigentlich digital arbeiten wollte, zuerst ganz oldschool-mäßige DIN-A4-große Skizzen an. So konnten die Jugendlichen ihre Gesamtkomposition stets im Blick behalten, anstatt ständig in das Bild hinein- und aus dem Bild herauszoomen zu müssen. Anschließend wurden die Skizzen mit dem iPad abfotografiert. Die Jugendlichen haben über dem Foto eine neue Bildebene angelegt und auf dieser dann ihre eigene Skizze mit dem digitalen Stift nachgezeichnet.
Idee, Skizze, Bild: das analoge Vorzeichnen als Teil des Denkprozesses
4. Digitale Umsetzung der finalen Bilder
Apropos neue Ebene: Beim digitalen Zeichnen empfiehlt es sich, jedes größere Bildmotiv auf einer eigenen Ebene zu zeichnen. So können Motive später verschoben, vergrößert, verkleinert, gedreht oder ganz gelöscht werden. Beim analogen Arbeiten lassen sich Fehler bekanntlich nicht so leicht korrigieren; das gleichzeitige Arbeiten auf mehreren Bildebenen stellt daher einen großen Vorteil des digitalen Zeichnens dar.
Eine weitere Erleichterung: Die auf dem iPad freihändig gezeichneten Linien - meist schief und krumm - ließen sich kinderleicht begradigen: Man brauchte nur etwas länger mit dem Stift auf die gezeichnete Linie zu halten, schon zog sie sich von alleine gerade. Magie!
Und auch das homogene, fleckenfreie Ausmalen kleiner und großer Flächen war ein Klacks: Man musste nur die gewünschte Farbe anklicken, dann die schwarz konturierte, weiße Fläche - und zack, war sie farbig gefüllt. Hier gab es keine Radierspuren und sichtbaren Pinselstriche - die Ergebnisse sahen gleich extrem professionell aus.
Das Zeichnen am iPad: ganz schön fummelig
Um die digitalen Grafiken später großformatig ausdrucken und in der Schule ausstellen zu können, sollten sie gleich in einer guten Auflösung angelegt werden. Bei früheren Projekten dieser Art hatte ich nicht immer daran gedacht, und die fertigen Ausdrucke sahen recht verpixelt aus. Diesmal sollte es besser laufen! Also empfahl ich den Schülern, ihre Grafiken von Anfang an auf ca. 50 x 70 cm (die Größe unserer schuleigenen Wechselrahmen) bei mindestens 200 DPI zu dimensionieren. Doch nicht alle Apps unterstützten dieses riesige Format. Am Ende einigten wir uns darauf: Je größer, desto besser.
Eine weitere Komplikation stellte die Vielfalt der benutzten Apps dar. Sie waren in ihrem Handling und in ihren Funktionen recht unterschiedlich, woraus sich immer neue Fragen ergaben. Dennoch hatte ich bewusst darauf verzichtet, eine Zeichen-App für alle vorzuschreiben. Denn einige Schüler hatten schon Erfahrungen mit einer bestimmten App, diese sollten sie produktiv nutzen. Andere Schüler wollten sich keine kostenpflichtigen Apps anschaffen (z. B. Procreate, ca. 10 € einmalige Anschaffungskosten), also arbeiteten sie lieber mit kostenfreien Apps wie Sketchbook. Letztendlich sah man dem finalen Ergebnis die verwendete App nicht an. Hier kam es - wie in Kunst eigentlich fast immer - nicht auf das Womit, sondern auf das Wie an.
Nach dem Motto "Show, don't tell" hat der ukrainische Schüler Mykhailo V. (10d) eine ganze schwebende Inselkette konstruiert, um seinem Thema "Vertrauensspiele während Lottas Klassenfahrt" maximale Prägnanz zu verleihen.

Eine weitere Vorgabe zwecks optischer Einheitlichkeit lautete, dass die Umrisslinien im ganzen Bild durchgehend dieselbe Breite haben sollten. Zu groß war beim Zeichnen die Versuchung, Details (wie etwa Gesichter oder Muster) mit einem dünneren Strich zu konturieren. Diese Unterschiede in der Linienstärke hätten allerdings das harmonische Gesamtergebnis gestört. Daher empfahl ich den Schülern, nicht bei den großen Flächen anzufangen (was sonst eigentlich fast immer sinnvoll ist), sondern zuerst die Figuren zu zeichnen. Passte dort die Strichbreite, so passte sie später auch bei den großen Flächen; umgekehrt war es nicht immer möglich, denn sonst war der Strich später bei den Details gegebenenfalls zu grob.
Eigentlich sollten die digitalen Grafiken nach Daniela Kohls Vorbild ohne Schraffur auskommen. Doch als ich sah, wie souverän Tamina G. (10d) ihren digitalen Stift benutzte, bestärkte ich sie darin, diese Schraffur-Technik auf das ganze Bild auszuweiten.

5. Analoge Umsetzung der finalen Bilder

Beim analogen Arbeiten mit der 10b stellten sich naturgemäß ganz andere Fragen. Hier musste in zwei Schritten gearbeitet werden: Die auf Aquarellpapier übertragenen Skizzen mussten zuerst möglichst gleichförmig und blass koloriert und dann mit dem Fineliner konturiert werden, denn auch hier sollte der Comicstil der Originalillustrationen mit ihren markanten Outlines gewahrt werden.
Da ich die 10b schon in der 9. Klasse unterrichtet habe, und wir in einer kurzen letzten Unterrichtseinheit Landschaften aquarelliert haben, wusste ich, auf welche Vorkenntnisse ich zurückgreifen konnte. Zumindest theoretisch - denn Sommerferien schienen auf Schüler dieselbe Wirkung zu haben wie der Neutralisator in "Men in Black": einmal Sommerferien - und das Gedächtnis war gelöscht. Aber nach ein paar Auffrischungsübungen rund ums Aquarellieren (Mischen, Trüben, Lasieren ...) lief das Malen fast von alleine. Schließlich ist dieses Medium deutlich intuitiver und vertrauter das als Zeichnen auf dem iPad.
Tipp: Wer sich etwas intensiver mit dem Thema Aquarell beschäftigen möchte, ist herzlich eingeladen, in mein Aquarelltutorial hineinzuschauen, s. Link.
Oben: die von Eloisa S. zusätzlich zu ihrem eigentlichen Bild gemalte Klassenvignette; unten: Annika-Sophie W. (10b): "Klassenfahrt: Abschlussparty auf Amrum" (aus dem Buch zum zweiten Film "Alles Tschaka mit Alpaka")
Zum Zeitmanagement muss ich rückblickend sagen, dass das Konzipieren und Vorzeichnen der Szenen - zuerst auf DIN A4, dann auf DIN A3 - die meiste Unterrichtszeit in Anspruch genommen hat. Dass wir dafür so lange benötigen würden, hätte ich nicht gedacht. Fast ein viertel Jahr haben wir mit der Theorie (Parallelperspektive, raumschaffende Mittel, Farbtheorie ...) und dem Skizzieren verbracht.
Das Aquarellieren selbst ging wiederum überraschend schnell, es hat insgesamt etwa drei Doppelstunden beansprucht. Das abschließende Konturieren mit Fineliner ging sogar noch fixer: Einige Schüler waren schon nach einer Doppelstunde fertig, andere hatten eine weitere Doppelstunde benötigt. Das Einzige, was beim Fineliner zu beachten war, waren die Trocknungszeiten. Denn man sollte nicht ins Nasse mit dem (in der Regel nicht wasserfesten) Fineliner hineinzeichnen - aber auch das war eigentlich selbsterklärend.
Felicitas R., 10b: "Allerdings hat Mama schon viel schlimmere Geburtstagskuchen gebacken. Echt. Am gruseligsten waren: der Biokuchen "Hänsel und Gretel" mit Sägespänen und Pfeffer; die Schokotörtchen mit paniertem Kokos-Bierkäse; (...); die Schwarzwälder Kirschtorte mit Mini-Tomaten (weil Mama vergessen hatte, Kirschen zu kaufen)." (Band 3, "Hier steckt der Wurm drin! S. 18)
Dabei hatte ich kurz vor Weihnachten noch befürchtet, dass wir bis zum Halbjahresende nicht fertig werden würden. Das wäre eine Katastrophe gewesen, denn im zehnten Jahrgang wird Kunst nur halbjährig erteilt, das heißt, wir hätten im zweiten Halbjahr nichts mehr nacharbeiten können. Am Ende wurde es jedoch eine Punktlandung: Bevor wir uns im Februar endgültig trennten, konnten alle Bilder fertiggemalt werden, sodass sie nun, im Rahmen einer Schulausstellung, rechtzeitig zu Alice Pantermüllers Lesung im März präsentiert werden können. Davon kann nun die gesamte Schule profitieren, nicht zuletzt die Fünft- und Sechstklässler, die die eigentliche Zielgruppe der Lotta-Reihe sind. Wer weiß, vielleicht geht dieses Illustrationsprojekt dann in die nächste Runde, und auch andere Jahrgänge, vielleicht auch an anderen Schulen wollen sich an diesem Thema versuchen? Wenn dem so wäre, würde ich mich sehr freuen - auch für Lotta und Cheyenne, die wilden Hummeln, von denen es nicht genug Bilder und Geschichten geben kann!
Tristan F., 10b: "Da haben irgendwelche Leute ein Zelt aufgebaut wie im Zirkus und man kann sich alle möglichen Reptilien angucken. Sogar ein kleines Krokodil!" (Band 9, Das reinste Katzentheater, S. 123)
6. Lotta-Galerie: eine Auswahl
Aquarelle der 10b (zum Vergrößern bitte draufklicken): Laura S. J., Solveig M., Amelie M., Leni S., Leni C. S., Sophie W., Eloisa S., Jonathan S., Annika-Sophie W.
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