
Stillleben sind nicht nur Äpfel und Birnen. Sondern manchmal auch Quitten und Melonen. Nicht selten auch Tassen, Flaschen, Vasen... Zugegeben, spannend klingt es nicht. Alle Jahre wieder wird im Kunstunterricht das Thema Stillleben durchgenommen. Zum einen, weil es ein wichtiges Genre der Kunstgeschichte ist. Zum anderen, weil man daran sehr effizient Kompositions- und Zeichenregeln üben kann. Alles, was man dafür benötigt, passt auf einen Tisch, einschließlich des eigentlichen Motivs. Wie bei jeder naturalistischen Komposition hat es stets etwas Magisches, wenn auf einem flachen Blatt Papier plastische Formen entstehen. Umso prosaischer sind dagegen diese Formen: Kugel, Kegel, Quader und Zylinder, mal mehr, mal weniger raffiniert als Äpfel oder Gläser getarnt.

Dabei gibt es so viele Möglichkeiten, Abwechslung in das Thema Stillleben zu bringen! Zum Beispiel, indem man seinen Ranzen- oder Tascheninhalt auf dem Tisch ausleert und ihn zu einem personalisierten Stillleben arrangiert. Handy, Etui, Buntstifte, Bücher, Kopfhörer: Als Stellvertreter ihres Besitzers ergeben sie zusammen sein symbolistisches Portrait.
Doch damit nicht genug. Ein Stillleben muss nicht still bleiben: Mit etwas Phantasie kann es sich in Bewegung setzen, uns auf eine Reise rund um den Globus mitnehmen oder in die Vergangenheit zurückkatapultieren. Alles eine Frage des Kontextes: Ein paar passende Requisiten, eine darauf abgestimmte Kulisse, und schon setzt sich unser Kopfkino in Gang, schon materialisiert sich vor unserem inneren Auge ein kleines französisches Café an der Ecke - oder wir können den Beat der wilden 80er hören.
Irgendwann kommt alles wieder - erst recht ein Bumerang. Unten: Helen G., oben: Nèlle T. (Details)

1. Reisen vom Schreibtisch aus
Anett H. (Detail)

Voyage, voyage: Ein bisschen gesunder Eskapismus kann nie schaden, erst recht nicht in Zeiten einer Pandemie. Die letzten zwei Jahre hatten die meisten von uns zuhause verbracht, überwiegend am Schreibtisch. Was darauf an Stillleben-Motiven herumgestanden hatte, hatten wir uns lang genug angeschaut. Als im ersten Semester meines 12er Kunst-LKs mal wieder das Thema Stillleben auf dem Lehrplan auftauchte, beschlossen wir daher, etwas Neues auszuprobieren. Man nehme: Samowar, Bumerang, Walkman... Sind diese Objekte bekannt? Alle? Keins davon? Tatsächlich stehen sie für einen bestimmten Kontext, der den Zeitreisenden und Weltenbummler in uns mobilisieren soll. Denn so lange keine Auslandsreisen und Klassenfahrten möglich waren, blieb uns nur das Reisen in Gedanken, um dem gleichförmigen Alltag zu entfliehen. Allerdings half dabei das klassische Stillleben mit seinem ebenso gleichförmigen Leergut aus Flaschen, Gläsern und Vasen nicht wirklich weiter. "Far far away" sollte uns schließlich die Reise führen - und nicht zum nächstgelegenen Glascontainer.
Evelin K. (Detail)

So war die Idee zu einem Stillleben entstanden, das mehr als nur eine Ansammlung von geometrischen Körpern darstellte. "Stillleben: Alles eine Frage des Kontextes", lautete der Name dieses Langzeitprojekts, und die Betonung lag dabei auf lang. Drei Monate lang hatte mein neu formierter LK Bildideen und -vorlagen gesammelt, Skizzen angefertigt, Zeichen- und Maltechniken ausprobiert, Farbstudien angelegt und schließlich eine Mappe zusammengestellt und eine schriftliche Reflexion darüber verfasst. Die meisten Skizzen und das finale Werk waren zuhause entstanden, nach dem Vorbild einer Facharbeit. Einige Vorstudien wurden wiederum im Unterricht ausgeführt. Hier konnten Schüler nach dem Werkstattprinzip unterschiedliche grafische Techniken (besser) kennenlernen und ausprobieren: Bleistift, Kohle, Kreide, Tusche. Zwar lag dabei der Fokus auf dem freien, nicht zweckgebundenen Experimentieren; trotzdem konnten einige Arbeitsergebnisse in die Projektmappe einfließen, waren sie doch als Detail-, Farb- oder Materialstudien des finalen Stilllebens angelegt.
Back to the 80s: Zu Ehren des gleichnamigen Langzeitprojekts von Nèlle T. (oben) und um den Kunstgenuss abzurunden, habe ich im folgenden Text mehrere Links zu einem 80s-Soundtrack versteckt. Wer sucht, der findet - einfach draufklicken, sich zurücklehnen und in der Zeit zurückreisen. Aber Vorsicht, Ohrwurmgefahr!
2. Arbeitsauftrag
Sail away: Andrei S. (Detail)

Stillleben - alles eine Frage des Kontextes
Ausgehend von eigenen Fotos und Skizzen soll ein Stillleben erarbeitet werden, das einen zeitlichen oder räumlichen Kontext entstehen lässt.
1. Legen Sie eine Sammlung an, die aus eigenen und / oder fremden Bildvorlagen (Fotos, Videos...) und Gegenständen besteht. Denkbar wären Objekte einer bestimmten Kunstepoche (z. B. Renaissance) oder eines bestimmten Kulturkreises (z. B. russisch, japanisch, afrikanisch…). Daneben sind auch alltägliche, zeitgenössische Gebrauchsgegenstände denkbar.
2. Erarbeiten Sie hierzu vielfältige Ideenskizzen. Bitte beachten Sie bereits in diesem Stadium kompositionelle Konstanten wie Figur-Grund-Beziehung, Flächeneinteilung, Form- und Größenkontraste, einheitliche Lichtführung, Wahl des geeigneten Formats etc. Die Einzelmotive sollten deutlich erkennbar sein.
3. Schließlich soll ein eigenständiges finales Bild als Grafik oder Gemälde entstehen, das inhaltlich dem Thema „Stillleben: Alles eine Frage des Kontextes“ gerecht wird. Formal sind auch hier Aspekte wie kompositioneller Aufbau (Ballung / Streuung / Reihung…; dynamische / statische Wirkung; organische / geometrische Formen; Bildaufbau kreisförmig / pyramidal / diagonal / dezentriert…), Blick- bzw. Lichtführung, Format- und Materialgerechtheit, nuancierte Graustufigkeit (bei einer schwarz-weißen Ausführung) bzw. Farbmodulation (bei einer Ausführung in Farbe) und nicht zuletzt Originalität zu berücksichtigen.
4. Fertigen Sie eine übersichtlich gegliederte Projektmappe an, welche fotografische und andere Vorlagen, Skizzen, das fertige Werk (max. 50 x 70 cm) sowie deren Reflexion (s. u.). beinhaltet. Nummerieren Sie bitte alle Bilder (auf der Rückseite bzw. auf den Passepartouts).
Der vollständige Arbeitsauftrag (oben) samt Eileitung zum Verfassen einer Reflexion kann hier als PDF heruntergeladen werden:
3. Konzeptentwicklung

Willst du gern einmal nach Paris? Jona S. (Skizze)
Etwa einen Monat nach dem Projektbeginn erfolgte eine angekündigte Beratungsstunde. Hier sollten Zwischenergebnisse gezeigt und Konzepte vorgestellt werden. Eigentlich als Präsenzveranstaltung geplant, musste sie am Ende jedoch digital stattfinden: An diesem Tag saß ich mit Verdacht auf Corona zuhause fest. Zum Glück waren wir seit dem ersten Lockdown auf alles vorbereitet! Routiniert erstellte ich ein Aufgabenmodul, die Schüler legten dort genauso routiniert ihre Arbeitsergebnisse ab, ich antwortete jedem einzelnen von ihnen mit einer individuellen Rückmeldung und half bei Bedarf mit Tipps und Tricks weiter. Es war viel Aufwand bei 27 (!) LK-Schülern und im laufenden Schulbetrieb. Noch nie zuvor hatte ich einen so großen Leistungskurs zu betreuen, allerdings auch noch nie einen so motivierten: Um 19 Uhr, eine Stunde nach der offiziellen Abgabe, schielte ich etwas skeptisch in das Aufgabenmodul, und siehe da: Alle 27 Schüler hatten ihre Zwischenstände pünktlich eingereicht. In meiner 15jährigen Schullaufbahn war es eine Premiere.
Vanitas-Motiv von Nele Z. (Detail)

Nachdem ich die Ergebnisse gesichtet hatte, stellte sich allerdings eine gewisse Ernüchterung ein. Nicht alle Kompositionen wirkten ausgereift, viele waren noch nicht über die erste Ideenfindung hinausgekommen. Daher erschien es mir angebracht, die Schüler - ganz im Sinne eines barocken Stilllebens - an die Vergänglichkeit des Lebens im Allgemeinen und an den nahenden Abgabetermin im Besonderen zu erinnern. "Vanitas statt Carpe Diem", lautete daher mein Feedback. Viele hatten diesen kleinen Schubser scheinbar nötig, um endlich in die Gänge zu kommen. Andere dagegen kamen von allein gut voran und konnten schon zu diesem frühen Zeitpunkt schlüssige Konzepte präsentieren.
Big in Japan: Tanja A. (Detail)

Auch wenn diese digitale Zwischensicherung aus der Not heraus entstanden war, hatte sie sich im Nachhinein als ausgesprochen fruchtbar erwiesen. Niemals wäre es mir im Präsenzunterricht gelungen, allen 27 Projekte gleichermaßen gerecht zu werden. Vom Schreibtisch aus war dagegen eine differenzierte Rückmeldung extrem zeitaufwändig, aber möglich gewesen. Übrigens galt derselbe Mehraufwand auch für die Schüler: Die meisten hatten sich beim Anfertigen der Skizzen und beim Schreiben von Erklärungstexten deutlich mehr Mühe gegeben, als ihre Vorgänger im Präsenzunterricht - vielleicht, weil sie wussten, dass ihre Bilder am Rechner sehr genau betrachtet werden würde. Ob Schüler diese Eins-Zu-Eins-Betreuung als Segen oder Fluch empfunden hatten, stand dabei auf einem anderen Blatt. Der Qualität der Skizzen war sie jedenfalls zugutegekommen.
An diesem Beispiel zeigte sich deutlich, welches Potenzial hybride Kunstvermittlung hatte: Nicht nur dass sie den regulären Präsenzunterricht sinnvoll ergänzte, indem sie den Austausch kognitivierte und strategisches Denken förderte. Darüber hinaus ermöglichte sie eine zuverlässige Sicherung aller Absprachen und Ergebnisse. So blieb kein Raum für Missverständnisse, auch konnten keine Unterlagen mehr verloren gehen, weil sie im Bus vergessen, von kleinen Geschwistern übermalt oder vom Hund des Nachbarn gefressen wurden (alles schon passiert). Somit stellte das hybride Modell auch im Fach Kunst einen echten Mehrwert dar, vor allem solange der Austausch in Präsenz weiterhin überwog.
Run away, turn away: Corona-Jahr 202o
Jolin N. (Fotovorlage)

4. Projektarbeit
Josephine E. (Detail)

Während der häuslichen Projektarbeit von etwa drei Monaten bekam ich die Bilder der Schüler nicht mehr zu Gesicht. Erst kurz vor Weihnachten erfolgte die planmäßige Mappenabgabe. Es war ein aufregender Moment für alle Beteiligten - und bei 27 Mappen, die teils bis zu einem Meter lang waren, auch ein beachtlicher logistischer Aufwand. Anschließenden verbrachte ich die Weihnachtsferien damit, die Mappen zuhause die Treppe herauf, die Treppe herunter zu schleppen, sie im Wohnzimmer zu fotografieren, oben am Rechner zu begutachten, sie dann wieder nach unten in den Keller legen zu schleppen und sie dort übereinanderzustapeln... Und dabei kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. So viele tolle Bildideen! Und handwerklich so divers und so versiert! Die beiliegenden Reflexionen machten zudem klar, wieviel Zeit und Gedanken in diese Projekte eingeflossen waren. Und einige Schilderungen klangen so inspirierend, dass ich versucht war, selbst zur Kohle zu greifen oder Aquamarker auszuprobieren: "Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt..."
Jona S. (Studie)

Solche Langzeitprojekte hatte ich in den vergangenen 15 Jahren immer wieder praktiziert, um Schülern nach 12 Jahren Dauerkontrolle und engmaschiger Rückmeldung endlich die Gelegenheit zu geben, selbstbestimmt und eigenverantwortlich an einem individuellen Projekt zu arbeiten. Und das Eigenverantwortliche hat bekanntlich seine Tücken: Zwar können Schüler sich an meinem schriftlichen Arbeitsauftrag orientieren, was ihnen eine gewisse Struktur vorgibt. Auch können sie sich bei Fragen jederzeit an mich wenden. Trotzdem müssen sie viele konzeptuelle und gestalterische Entscheidungen allein treffen, ihr Zeitmanagement im Auge behalten, parallel zum praktischen Arbeiten eine schriftliche Reflexion verfassen und ihre Bilder fristgerecht in einer Mappe abgeben, nummeriert, beschriftet, auf Passepartouts montiert - eine große Herausforderung für die meisten.
Hannah S. (Studie)

"Hey, teacher, leave them kids alone": In keinem anderen Fall müssen Schüler so selbständig arbeiten, auf Knopfdruck so kreativ sein und gleichzeitig einen so langen Atem beweisen wie in Kunst. Allein deswegen ist unser Fach an den Schulen unverzichtbar. Denn Kompetenzen wie Eigenverantwortlichkeit, Kreativität und Ausdauer sind in jedem Beruf extrem gefragt, kommen aber im Laufe der regulären Unterricht oft zu kurz. Sollte also die Frage aufkommen: "Wofür brauchen wir Kunst später überhaupt?" (bei jeder Kunstnoten-Besprechung ein Evergreen), ließe sich auf diese wichtigen Kompetenzen zurückverweisen. Als alternative Antwort bietet sich das geheimnisvolle Mona-Lisa-Lächeln an. Denn manche Fragende sind weniger auf eine Antwort, als vielmehr auf eine Reaktion aus. Und niemand weiß fremde Erwartungen effektvoller zu unterlaufen als Künstler.
Pauline I. (Skizze)

Im Falle meines Leistungskurses wurde die Legitimität von Kunstunterricht nicht (mehr) in Frage gestellt. Den Kampf hatten wir bereits in der Mittelstufe ausgefochten, und mit ihrer Kurswahl hatten die LK-Teilnehmer diesem Waffenstillstand - zumindest offiziell - zugestimmt. Dafür mussten sie nun lernen, mit ihren neuen Freiräumen klarzukommen. Das erste Langzeitprojekt ihres Lebens bot dafür optimale Voraussetzungen. Natürlich war im Vorfeld ausführlich besprochen worden, dass man frühzeitig anfangen und kontinuierlich am Ball bleiben sollte, um am Ende nicht unter Zeitdruck zu geraten. Und auch ohne meine mantrahaften Ermahnungen sollte das Thema Zeitmanagement in der Oberstufe eigentlich hinreichend bekannt sein. Trotzdem schworen einige Schüler auf den alten Zeitdruck-Mythos: "Unter Druck arbeite ich am besten." In der Praxis bedeutete er allerdings in der Regel: "Ohne Druck fange ich gar nicht erst an." Dass die Ergebnisse davon nicht profitierten, sondern vielmehr darunter litten, hatten einige am eigenen Leib erfahren müssen. Ihre selbstkritischen Reflexionen brachten diese Erkenntnis deutlich auf den Punkt. Es bestand daher Hoffnung, dass es beim nächsten Projekt noch runder laufen würde.
Hanna P. (Mappe)

Fall 1: Under Pressure
Ein paar Tage vor der Abgabe postete ein Schüler in unserem LK-Gruppenchat ein Foto, auf dem ein Haufen Buntstifte zu sehen war. "Meine Mutter hat mir extra für Kunst ein ganzes Arsenal gekauft," verkündete er. Unter den Stiften sah man seine Stillleben-Skizze, die noch völlig unfertig aussah. Unbeeindruckt antwortete ich: "Wie schade, dass du so rechtzeitig mit deinem Langzeitprojekt angefangen hast, dass du damit längst fertig bist, nicht?" "Ich bin schon lange fertig," witzelte er zurück, "das ist ein ganz anderes Bild." Soso. Die anderen Jungs im Chat lachten natürlich mit - Coolness verpflichtet. Am Abend vor der Abgabe schrieb mir derselbe Schüler in den Chat: "Frau Tangian, ich bin kurz vor Burnout!" "Das glaube ich dir," schrieb ich zurück, und er: "Ein Kaffee, und dann geht das wieder." Und siehe da, am nächsten Morgen schaffte er es tatsächlich, sein Projekt pünktlich abzugeben. Zufrieden war er damit aber nicht - und war damit nicht allein. "Meiner Meinung nach hätte ich früher mit dem Projekt anfangen sollen," schrieb ein anderer Schüler, "da ich den Aufwand leider unterschätzt habe, wobei ich beim nächsten Projekt auf jeden Fall das Zeitmanagement besser einteilen werde." Na denn. Manche Erfahrungen muss man offenbar selbst machen. Im Schutzraum Schule haben sie zumindest weniger gravierende Konsequenzen als im späteren Berufsleben, siehe den drastischen Begriff "Deadline"...
Gabriel N. (Detail)

Dass die große Mehrheit des Kurses allerdings keine Zeitdruck-Probleme hatte, sah man seinen extrem aufwendigen und vielfältigen Mappen sofort an. Zwei Schüler hatten ihre Projekte sogar eine Woche vor dem eigentlichen Abgabetermin eingereicht, worauf sie später besonders stolz waren. Und auch der Rest des Kurses war stolz auf seine Bilder - zurecht, denn diese wussten nicht nur handwerklich, sondern auch atmosphärisch zu überzeugen. Jedes von ihnen war ein Fenster in eine eigene Welt. Darauf fand zusammen, was zusammen gehörte: Ein russischer Samowar erhielt eine standesgemäße Baranki-Begleitung; Croissants wurden von "Le Monde" eskortiert; und der urdeutsche "Schmaus" trumpfte mit einer eindrucksvoll haptischen Brotkruste und einem luftigen Bierschaum auf.
Im Folgenden sollen 15 Langzeitprojekte etwas ausführlicher vorgestellt werden, mit Fotovorlagen, Skizzen, Gesamt- und Detailaufnahmen des finalen Bildes sowie mit Zitaten aus den dazu verfassten Reflexionen. Außerdem werden einzelne Bilder aus weiteren Mappen gezeigt, sodass hier die Arbeit des gesamten Kunst-LKs gewürdigt werden können. Vorab aber wird der didaktische Kontext der Unterrichtsreihe kurz rekonstruiert: Das Semesterthema "Bild der Dinge" mit seinem Fokus auf dem barocken Trompe-l'œil.
Samuel van Hoogstraten: Augenbetrügerei, 1666-78,
Öl auf Leinwand, 63 x 79 cm, Kunsthalle Karlsruhe

5. Didaktischer Kontext: Stillleben zwischen sehr viel und fast nichts
Seinen absoluten Höhepunkt erlebt das Genre des Stilllebens im 17. Jahrhundert. Gerade weil es in der zeitgenössischen Wertschätzung weit hinter der Historien- und der Portraitmalerei rangiert, ziehen die Stillleben-Maler alle Register, um ihre handwerkliche Virtuosität sowie die Vielfalt ihrer Motive unter Beweis zu stellen. Das Barocke Stillleben beeindruckt bis heute mit seiner Opulenz und Taktilität. Dessen Kategorie Trompe-l'œil, auf Französisch "Augenbetrügerei", soll dem staunenden Betrachter vor Augen führen, wozu Malerei imstande ist: die Illusion einer dritten Dimension auf einem zweidimensionalen Bildträger zu erzeugen.
Zu van Hoogstraatens Trompe-l'œil (s. o.) empfiehlt sich das didaktische Material der Kunsthalle Karlsruhe, siehe PDF und Video.
Zur allgemeinen kunsthistorischen Aufarbeitung des Thema Trompe-l'œil s. u. a.: Schwertfeger, Susanne: Das niederländische Trompe-l'œil im 17. Jahrhundert, Studien zu Motivation und Ausdruck. Dissertation, Kiel 2004
Giorgio Morandi: Stillleben, 1957 Öl auf Leinwand, 27 x 40 cm, Hamburger Kunsthalle

Eine konträre Stillleben-Position bezieht der italienische Maler Giorgio Morandi (1890-1964). Seine kleinformatigen, blassen Stillleben beweisen, wie spannend Monotonie sein kann. Nicht nur dass Morandi immer wieder dieselben Flaschen nebeneinander reiht; dazu benutzt er auch noch fast ausschließlich getrübte, kontrastarme Farben, welche kaum Raumtiefe erzeugen und gerade dadurch meditativ wirken. Sein Leben lang dekliniert Morandi gleichförmige Gefäße durch und zeigt dabei, dass weniger tatsächlich mehr sein kann: Mehr an Zwischentönen, Nähe und Intimität.
Dazu Dittmann, Lorenz: Licht und Farbe bei Morandi. In: Güse; Morat (Hrg.): Giorgio Morandi: Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Radierungen, München 1993, S. 23-35
Jule M. (Aquarell-Studie)

6. Langzeitprojekte
Diashows zum Durchscrollen; zum Vergrößern bitte das Bild anklicken
1. Evelin K.: "Teekränzchen bei Oma in Omsk"
Kohle auf Papier, 50x70 cm; Detail, Bild, Vorskizze
Motivstudien: "Der erste Schritt war das Selektieren von russischen Gegenständen (...). Als nächstes habe ich mich für ein Teeglas in Metalleinfassung entschieden, das für mich aufgrund der Zusammensetzung ansprechend wirkt. Vom detailreichen Muster sowie von der Kombination aus Glas und Metall habe ich mir erhofft, Plastizität und Stofflichkeit in mein Bild einzubringen. Die Skizze zu dieser Tasse ist entstanden, um die Komplexität und die Schönheit des Objekts einschätzen zu können." (Evelin K.)
2. Tanja A.: "Sakura: japanische Kirschblüte"
Mischtechnik (Pastell, Aquarell, Beistift) auf Papier, 70 x 40 cm; Detail, Bild, Studien, Fotos
Mischtechnik: "Als erstes fertigte ich Skizzen zur Tasse an. Dabei benutzte ich zum einen Bleistifte und zum anderen Pastellkreide. Hierbei stellte ich fest, dass die Darstellung der Kirschblüten mit Bleistift zu aufwändig sein würde, dass ich diese aber mit der Pastellkreide etwas abstrakter herausarbeiten kann. Der Nachteil an der Pastellkreide war, dass man nicht so filigran arbeiten konnte, wodurch die Äste zu aufdringlich wirkten. Auch probierte ich eine Skizze mit Aquarellfarben aus. Jedoch habe ich mich gegen diese entschieden, da ich diese Technik nicht gut genug beherrsche und die Blüten sich unkontrolliert verbreiteten. [Auf meinem finalen Bild] habe ich insgesamt drei Techniken gemischt: Mit Bleistift habe ich das Motiv gezeichnet und mit Aquarellfarbe die Äste wie auch die Torii. Mit der Pastellkreide habe ich zum Schluss die Kirschblüten hervorgehoben. Dies hat meine Idee, die Kirschblüten in den Fokus zu stellen, gut umgesetzt." (Tanja A.)
3. Jule M.: "Klön' mit Klön"
Aquarell auf Papier, 50 x 30 cm, Detail, Bild, Mappe, Skizzen
Thematische Festlegung: "Die norddeutsche Teekanne als Inspiration und Ausgangsobjekt führte mich zu meinem Thema "Norddeutsche Klön-Kultur" und ließ sich zunächst durch eine Flasche und Teetasse ergänzen (...). Im Folgenden habe ich mich für Objekte entschieden, die ich mit Norddetschland assoziiere. So lässt sich die Tabakpfeife auf Seemänner zurückführen, der Spruch "Liewer düd as Slaave" ist ein aus dem 19. Jahrhundert stammender friesischer Wahlspruch und der Köm wird in Norddeutschland traditionell mit schwarzem Tee getrunken." (Jule M.)
4. Julia H.: "American Candy Land"
Mischtechnik (vermalbare Filzstifte, Aquarell) auf Papier, 50 x 70 cm; Detail, Bild, Studien, Fotos, Mappe
Aquamarker: „Die Wahl meines Materials, Aquamarker und Aquarellpapier, habe ich mir sorgfältig überlegt. Ich habe in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen mit dieser Methode gemacht, und auch zufriedenstellende Ergebnisse erzielen können, da die Aquamarker im Gegensatz zu Filzstiften deutlich saftiger sind und man damit sowohl filigrane Details recht gut hinbekommt, als auch gut groß und flächendeckend arbeiten kann. (…) Ich finde es einfach spannend und auch sehr beruhigend zu sehen, wie sich das Verhältnis von Wasser und Farbe jedes Mal aufs Neue verhält.“ (Julia H.)
5. Hanna P.: "Britische Teetime"
Kohle auf Papier, 70 x 50 cm; Skizzen, Bild, Studien, Mappe
Graustufen: "Ich legte mich auf eine schwarz-weiße Ausführung fest, um allein mit nuancierten Grauabstufungen meiner Vorstellung einer sanften Wirkung durch die zusätztliche Einbeziehung organischer Formen nachzukommen." (Hanna P.)
6. Anett H.: "Frühstück à la française"
Aquarell auf Papier, 40 x 30 cm, Detail, Bild, Mappe, Skizzen, Fotos
Auswertung des finalen Bildes: "Nach der Erarbeitung mehrerer Skizzen, bei welchen ich unterschiedliche Materialien erprobt habe, habe ich mich dazu entschieden, das finale Werk mit Aquarell und Finelinern zu gestalten, da das Arbeiten mit diesen Materialien in meinen Skizzen gut funktioniert hat. Jedoch denke ich, dass ich in Bezug auf die Wahl der Farbe experimentierfreudiger hätte sein können (...). Darüber hinaus hätte ich mich im Nachhinein eher für ein größeres Format des Papiers entschieden, um die Gegenstände, vor allem die Macarons und die Zeitung, noch detaillierter ausgestalten zu können. (...) Zusätztlich hätte eine ausgereiftere räumliche Wirkung mithilfe von bewusster eingesetzter Helligkeitsabstufungen erzielt werden können. Dies könnte aber auch an der Materialwahl liegen, da es mit Aquarell schwierig ist, Übergänge von Schatten und Lichtreflexen naturalistisch darzustellen." (Anett H.)
7. Gabriel N.: "Schmaus"
Buntstifte auf Papier, 30 x 40 cm; Details, Bild, Studien, Mappe
Motivwahl: „Um dem Setting des Weinkellers gerecht zu werden, war es mir besonders wichtig, ein Weinfass sowie eine Weinflasche im Bild zu platzieren. Ein Bierfass und ein Laib Brot (Deutschland hat nämlich mit über 3000 Brotsorten die größte Brotvielfalt) sollten für die typisch deutsche Note sorgen.“ (Gabriel N.)
8. Jolin N.: "Das Corona-Jahr 2020"
Kohle auf Papier, 30 x 40 cm; Detail, Bild, Studien
Ideensammlung: "Begonnen hat meine Ideensammlung mit der Überlegung, welche Gestände und Aktivitäten während der Corona-Pandemie an Popularität gewonnen haben. Beispiele solcher Dinge sind Masken, Nudeln und Toilettenpapier. Jedenfalls in Deutschland ist das Phänomen aufgetreten, dass sowohl Nudeln als auch Toilettenpapier in den Supermärkten in einem Zeitraum von mehreren Monaten häufiger ausverkauft waren. Darüber hinaus war es sehr beliebt in der Zeit des Lockdowns zahlreiche Pflanzen in der Wohnung aufzustellen und sich an dessen Optik zu erfreuen, da man übermäßig viel Zeit zu Hause verbracht hat. Maßgeblich prägend war zudem das Homeschooling, welches von digitalen Medien bestimmt wurde. In meinem Beispiel steht das iPad, mit der sich öffnenden App Teams, stellvertretend dafür. Hinzu kommt die Wichtigkeit der im Jahr 2020 entwickelten Corona-Schutzimpfung, welche in diesem Fall durch den Impfpass und das Impfzertifikat repräsentiert wird. " (Jolin N.)
9. Helen G.: "Sehnsuchtsland Australien"
Mischtechnik, 30 x 40 cm; Detail, Bild, Mappe, Studien